Onlineshops - Wie treffen Nutzer:innen Kaufentscheidungen?

Die messy Middle als Marketingkonzept

In einer Reihe von Untersuchungen hat der Technologiekonzern Google zusammen mit dem Marktforschungsunternehmen The Behavioural Architects untersucht, wie Nutzer:innen online Kaufentscheidungen treffen. Herausgekommen ist dabei ein neues Marketingmodell, in dessen Zentrum die “messy Middle” steht. Das Modell veranschaulicht die Customer Journey bis zum Kauf eines Produkts in neuer Weise.

In diesem Blogeintrag erklären wir euch, was die messy Middle ist und welche Faktoren einen Einfluss auf unsere Kaufentscheidungen haben.

Kaufentscheidungen im Wandel vom Geschäft vor Ort zum Onlineshop

Um ein Verständnis dafür zu kriegen, warum es überhaupt ein neues Modell für das Entstehen von Kaufentscheidungen braucht, lohnt sich ein kurzer Blick in die Vergangenheit. Die Macher der Studie vergleichen das heutige Onlineshopping dafür mit einem Gang durch die Einkaufsstraße. In der Einkaufsstraße sind die Läden und Produkte begrenzt, unsere Kaufentscheidungen sind geprägt von uns bekannten Marken und Erfahrungen. Online hingegen fallen diese Beschränkungen weg, wir sehen uns mit einem nahezu unendlichen Angebot an Produkten und zugehörigen Informationen konfrontiert. Wie entscheiden wir uns online also letztlich für ein bestimmtes Produkt?

Das Konzept der messy Middle

Die Antwort der Forscher lautet: In der messy Middle oder übersetzt in der “chaotischen Mitte”. Stellt man sich den kompletten Prozess der Costomer Journey vor, also den Weg von einem ersten Kaufanreiz, bis zur Entscheidung für ein bestimmtes Produkt, so liegt die messy Middle entsprechend dazwischen. Hier laufen zwei Prozesse bei den Käufer:innen immer und immer wieder ab: Das Suchen und Bewerten von Informationen über Produkte und Unternehmen. Das Gehirn befindet sich also quasi in einer Endlosschleife, solange bis es auf eine Information trifft, die letztlich zur Kaufentscheidung führt.

“We call it the “messy middle”, a space of abundant information and unlimited choice that shoppers have learned to manage using a range of cognitive shortcuts” Aus der Studie Decoding Decisions

Der Prozess des Suchens und Bewertens in der messy Middle

Die Bias als emotionale Seite der Kaufentscheidung

Würden wir nur anhand von Informationen und deren Bewertung unsere Kaufentscheidung treffen, wäre diese zwar subjektiv, aber sollte zumindest weitestgehend rational sein. Dass es in der Realität oft nicht so ist, liegt auch an kognitiven Verzerrungen im englischen “Bias” genannt. Diese Bias sind eigentlich fehlerhafte Neigungen beim Wahrnehmen und Urteilen über die gegebenen Informationen. Sie beeinflussen uns meist unbewusst, aber helfen auch dabei, in komplexen und unübersichtlichen Situationen, Entscheidungen zu treffen. Bias können als eine Art Abkürzung für unser Gehirn gesehen werden, mit der wir uns den Weg zu einer Entscheidung verkürzen. Betrachtet man die Endlosschleife aus Suchen und Bewerten als die rationale Komponente der Kaufentscheidung, so sind die Bias die emotionale.

Diese 6 Bias haben besonderen Einfluss auf unsere Kaufentscheidungen

Diese Bias haben einen besonderen Einfluss auf die Kaufentscheidung

Die Verhaltensforschung zählt mehr als 300 solcher Bias, welche bei der Entscheidungsfindung eine Rolle spielen können. Für die Studie von Google wurden jedoch 6 identifiziert, die besonderen Einfluss auf die Kaufentscheidung haben:

  • Produktmerkmale (Category heuristics): Dieses Bias hilft uns mit weniger kognitiver Leistung zu einer Entscheidung zu kommen. Beispielsweise machen wir eine Entscheidung mehr von leicht zugänglichen Informationen abhängig, beim Kauf eines Smartphones etwa von den Megapixel der Kamera, beim Abschließen eines Mobifunkvertrages vom Datenvolumen.

  • Expertenurteil (Authority bias): Beschreibt die Tendenz seine Meinung die einer für uns anerkannten Autorität anzupassen. In Bezug auf Onlineshops können das beispielsweise Gütesiegel oder die Bewertungen von Profis sein.

  • Soziale Bestätigung (Social Proof): Steht für die Neigung, in komplexen oder unsicheren Situationen, das Verhalten anderer zu kopieren. Empfehlungen und Rezensionen anderer Käufer:innen helfen uns bei der Entscheidungsfindung.

  • Sofortige Verfügbarkeit (Power of now bias): Der Mensch ist stark mit dem Hier und Jetzt verbunden, daher tendieren wir dazu Dinge sofort zu wollen. Geringere Lieferzeiten spielen bei Kaufentscheidungen selbstverständlich eine Rolle und lassen uns ggf. auch über einen höheren Preis hinwegsehen.

  • Verknappung (Scarcity bias): Dieses Bias beruht auf dem ökonomischen Prinzip, dass limitierte oder seltene Güter begehrter sind. Die Verknappung bringt uns dazu schneller Entscheidungen zu treffen und rationale Argumente außer Acht zu lassen.

  • Bonuszugabe (Power of free): Verhaltensforscher:innen haben herausgefunden, dass Menschen zu irrationalen Entscheidungen neigen, wenn etwas gratis ist. Eine kostenlose Bonuszugabe, selbst eine die nichts mit dem eigentlichen Produkt zu tun hat, kann die Kaufentscheidung beeinflussen.

Sowohl die Prozesse des Informierens und Bewertens als auch das hinzuziehen von Bias laufen während der Costumer Journey unbewusst in uns ab. Das Ziel von gutem Online-Marketing ist es daher nicht die Käufer:innen aus der Schleife zu holen, diese müssen die Käufer:innen selbst verlassen. Es geht vilemher darum, während der Costumer Journey die benötigten Informationen bereitzustellen und das Wissen über die Bias zu nutzen.

Studie zeigt viel Potenzial auch für neue Marken

Die Forschungen von Google haben dabei gezeigt, dass hier auch viel Potenzial für neue unbekannte Marken liegt. So wurden in einem Experiment mit über 30.000 Teilnehmer:innen fiktive Marken den eigentlich bevorzugten Marken der Teilnehmer:innen gegenübergestellt. Die Wahrnehmung der fiktiven Marken wurden dabei mit Hilfe der 6 Bias aufgebessert, was zu einer deutlichen Verschiebung der Käufer:innenpräferenz führte. So konnte u.a. in der Kategorie Kinderspielzeug eine fiktive Marke 56% der Käufer:innen von ihrer ursprünglichen Präferenz auf sich ziehen, wenn die Vorteile wie Bewertungen anderer und Bonuszugaben entsprechend optimiert wurden.

Welchen Einfluss hat Corona auf unsere Kaufentscheidungen?

Corona hat unseren Alltag verändert und natürlich auch Einfluss auf unser Kaufverhalten genommen. Produkte, die sonst wie selbstverständlich erschienen, waren plötzlich schwer zu bekommen. Einige Kaufentscheidungen mussten deutlich schneller getroffen und dabei auch Markenpräferenzen vernachlässigt werden. Andere Kaufprozesse hingegen dauern länger als bisher oder werden komplett verschoben, etwa weil Informationen im Prozess des Suchens und Bewertens fehlen.

Die Macher der Studie von The Behavioural Architects schreiben hierzu:

“In einer Zeit der Umbrüche und zunehmender Unsicherheit benötigen Verbraucher während der komplexen Entscheidungsphase mehr Unterstützung denn je.”

Es gilt für Unternehmen also, hier entsprechend präsent zu sein. Zugleich stellt die Informationsflut, welcher wir uns durch das Virus ausgesetzt sehen, eine zusätzliche Belastung für potenzielle Käufer:innen dar. Bei der Markenkommunikation solle man daher möglichst prägnant sein und sich auf eine Kernaussage beschränken.

Auswirkungen von Corona auf die 6 Bias

5 der 6 Bias sollen Aufgrund von Corona an Bedeutung für die Entscheidungsfindung gewinnen. Das erscheint auch nachvollziehbar, da aus den hier bereits angeführten Gründen Verbraucher:innen nach mehr Sicherheit suchen und schnellere Entscheidungen treffen müssen. Vorsichtig sollten Unternehmen bei künstlicher Verknappung von Waren sein, da dies für viele ein sensibles Thema geworden ist. Hier können negative Bewertungen durch Nutzer:innen entstehen. Auch Bonuszugaben sollten laut den Machern der Studie mit Bedacht eingesetzt werden. Die finanzielle Situation ist Aufgrund von Corona für viele Verbraucher:innen unsicherer geworden und muss entsprechend feinfühlig behandelt werden.

Die messy Middle als zentraler Bestandteil der Costumer Journey?

Der Weg zur Kaufentscheidung verläuft nicht mehr so geradlinig wie früher. Das liegt auch an der nahezu überwältigenden Produktvielfalt, welche das Internet potenziellen Käufer:innen bietet.

Das Modell der messy Middle scheint ein entsprechend realistischeres Bild der Customer Journey zu zeichnen als bisher verwendete Marketingkonzepte, wie etwa der Sales Funnel. Es ermöglicht interessante Einblicke in das Kaufverhalten der Menschen und die aufgeführten Bias zeigen, wie mit richtig platzierten Informationen Käufer:innen auf der Costomer Journey gewonnen werden können. Für Verantwortliche im Online-Marketing bietet die messy Middle entsprechend viel Potenzial.

   

Gerne helfen wir euch bei der Umsetzung eines kundenzentrierten Onlineshops. Unsere individuell programmierten Lösungen bieten einen Mehrwert für potenzielle Käufer:innen und helfen ihnen so dabei Kaufentscheidungen zu treffen. Sprecht uns jederzeit an!

       

Quellen:

https://www.thinkwithgoogle.com/intl/de-de/insights/customer-journey/kaufverhalten-und-entscheidungsfindung-verstehen/

https://www.thinkwithgoogle.com/_qs/documents/9998/Decoding_Decisions_The_Messy_Middle_of_Purchase_Behavior.pdf

https://www.thinkwithgoogle.com/intl/de-de/insights/customer-journey/messy-middle-kaufentscheidungen-covid/